Nachdenkliche Worte auf Schömbergs KZ-Friedhof
Trauern und sich erinnern
Sie erinnerten gestern Nachmittag im Rahmen der Gedenkfeier auf dem Schömberger KZ-Friedhof an die Geschehnisse und baten um Frieden (von links): Pfarrer Frank Lutz, Pfarrer Dr. Sebastian Mukoma, Dekan Martin Seitz, Pfarrerin Rose Winkler, Stadtpfarrer Dr. Johannes Holdt und Immo Opfermann. |
Zahlreiche Männer und Frauen besuchten die ökumenische Gedenkfeier auf dem KZ-Friedhof Schömberg. Noch in guter Erinnerung ist die Anfang Oktober stattgefundene feierliche Enthüllung einer Bronzetafel durch den norwegischen Botschafter für zwölf norwegische Opfer, die als "Nacht- und Nebel-Gefangene" dort umgekommen und namenlos verscharrt wurden.
Schömberg, 14.11.2005
Schömbergs Bürgermeister Karl-Josef Sprenger wohnte der Feierstunde ebenso bei wie Dekanatsreferent Dr. Hans-Jürgen Guth. Für den musikalischen Rahmen sorgte die Stadtkapelle Schömberg. Ergreifend waren die Worte von Immo Opfermann, der die Schilderungen eines Überlebenden vorlas, der einige Zeit im KZ-Lager Dautmergen geschunden worden war. Auch die Fakten aus den Sterbelisten hörten sich unmenschlich an, denn mit jedem Verstorbenen verband sich ein Schicksal, ein Lebenslauf, eine Familie, hinter jedem Namen standen Angehörige, Hoffnungen und Ängste und die Grausamkeiten eines unmenschlichen Regimes. Allein am 12. November 1944 seien im Lager Dautmergen 15 Häftlinge ums Leben gekommen.
Die einleitenden Worte sprach Pfarrer Frank Lutz und Pfarrer Dr. Sebastian Mukoma betete die Fürbitten. Die Ansprache hielt der Balinger Dekan Martin Seitz, der seine Ausführungen an dem Bibelwort des Propheten Micha ausrichtete, wo es heißt: "Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen". Der Geistliche erinnerte dabei an Bibelworte, die schlafen und plötzlich aufwachen und ins Bewusstsein der Christen zurückkehren. Über Jahrhunderte hinweg sei es selbstverständlich gewesen, Kriege zu führen, weil an keine Alternative gedacht wurde. Das Bild von den "Schwertern zu Pflugscharen" sei nur langsam und auf vielen Umwegen zu einem Hoffnungszeichen geworden, führte der Dekan außerdem aus und er fuhr fort: "An kaum einem anderen Tag wird uns das so bewusst wie heute, wo wir an dieser Gedenkstätte stehen, wo wir an die Toten der Kriege uns erinnern, die gestorben sind in sinnlosem Krieg und schrecklicher Vernichtung, auch in den Vernichtungslagern".
Die Trauer um die Toten habe allerdings nur dann wirklichen Sinn, wenn sie einen Bezug zur Gesellschaft bekomme. "Trauerarbeit eines Volkes heißt: sich erinnern und nicht vergessen", betonte Martin Seitz und weiter: "Erinnern wir uns der unzähligen Toten von Krieg und Verfolgung, indem wir die Denkweise von Intoleranz und gewalttätiger Machtausübung ablegen, indem wir unsere Kinder zur Liebe und zum Frieden erziehen, anstatt zu Kampf und Macht". Gerade das Bibelwort von den "Schwertern zu Pflugscharten" habe den deutlichen Bezug zur Erde, zum Kultivieren, denn so wie der Boden bearbeitet werden müsse, müsse auch der Frieden kultiviert werden. "Das ist uns als Aufgabe gegeben", sagte der Geistliche und fuhr fort: "Deshalb wollen wir versuchen, Frieden zu stiften unter den Menschen. Nur der Friede der Zukunft, der ohne Ende sein wird, wird Gott schaffen." Täbingens Pfarrerin Rose Winkler und Schömbergs Stadtpfarrer Dr. Johannes Holdt erteilten den Anwesenden den christlichen Segen. Die ökumenische Gedenkfeier auf dem Schömberger KZ-Friedhof gab auch in diesem Jahr wieder Anlass zum Erinnern und zum Nachdenken.
Quelle: Zollern-Alb-Kurier vom Mo 14.11.2005
Verfasser: Siegfried Seeburger