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Kirchenhistoriker Dr. Werner-Ulrich Deetjen spricht über die „Täbinger Frömmigkeitsgeschichte“
„Tapferes, gottesfürchtiges Völkchen“

Mit einem Täbinger Vesperkorb dankte Pfarrerin Christine von Wagner Dekan i. R. Dr. Werner-Ulrich Deetjen für seine so lebendige und fundierte Rückschau auf das tägliche und religiöse Leben in Täbingen von einst.
Foto: Hannelore Kaiser

Die Festwoche zum 175. Geburtstag der Täbinger Karsthans-Kirche bescherte der kleinen Kirchengemeinde am Mittwochabend auch ein Wiedersehen – und – hören mit ihrem ehemaligen so beliebten Seelsorger und späteren Dekan von Brackenheim, Dr. Werner-Ulrich Deetjen.

In der Stätte seines einstigen Wirkens ließ der Kirchenhistoriker mit dem ihm eigenen liebenswerten Humor die „Frömmigkeitsgeschichte der Täbinger“ Revue passieren. Bis auf den letzten Platz besetzt war die schmucke Karsthans-Kirche, dessen Namensgebung vor 25 Jahren übrigens der Initiative von Dr. Werner-Ulrich zu verdanken ist, als Posaunenklänge den informativen wie mit launigen Anekdoten unterhaltsam gespickten Rückblick auf das tägliche und religiöse Leben der kleinen Gemeinde eröffnete.

Die Rückblende begann als die heutige Arbeiterwohngemeinde noch ein reines Bauerndorf war, seine Bewohner das karge Leben tapfer meisterten und „alles streng geordnet“ war. Als das Verenden einer Kuh im Stall für die Familie oft tragischer war, als der Tod eines ihrer oft über zehn Kinder. Als die tägliche Devise „Früh uff – beizeit nei“, nicht nur für jene Männer galt, die noch zu Fuß ihren Arbeitsplatz in Balingen und Oberndorf erreichten.

Da wurden die christlichen Feiertage selbstredend zu Höhepunkten im Jahresablauf. Wie?, dazu wusste Dr. Deetjen einiges lebhaft zu beschreiben: Das kirchlich-bäuerliche Jahr begann mit der „stillen“ Adventszeit. Öffentliche Feste und auch Hochzeiten waren dann verboten. Man traf sich in den Lichtstuben. So sparte man Heizung und Beleuchtung. Der Täbinger Sparsamkeit mag es auch zuzuschreiben sein, dass der Heiligabend-Gottesdienst und die Altarkerzen in Täbingen erst 1990, „als letzte evangelische Gemeinde Württembergs“ eingeführt wurden. Auch auf die Bescherung mussten die Kinder bis zum ersten Weihnachtsfeiertag warten. Erst dann, aber „noch vor dem Stalldienst um 6 Uhr“, konnten sie sich über Handschuhe, Schals und über das neu hergerichtete alte Spielzeug freuen, das wenige Tage später samt „Gautschaross“ wieder auf der Bühne verschwand.

Am letzten Tag des Jahres trafen sich die Täbinger zur „Lichterkirch“, die ab 1904 durch zwei große gusseiserne Kohleöfen attraktiver und behaglicher wurde. Die Reglementierung der nach Geschlechter, Ansehen und Alter genau getrennten Sitzordnung im Gotteshaus wurde noch bis 1970 streng eingehalten. Lange hielt sich auch der Brauch, (öffentliche) Hochzeiten nur dienstags oder donnerstags zu feiern. Die Verlegung auf den Samstag führte zu einem „Dorfkrieg“, an dessen Ende sogar der amtierende Pfarrer auf der Strecke blieb.

Für das frühe und heute noch aktive religiöse Leben in der Gemeinde nannte Dr. Deetjen vor allem zwei Personen als bedeutsam für die Täbinger: um 1400 die adlige Hailwig im Schloss, als „rechte Glaubens- und Diakonimutter“, und der 1523 als bäuerlicher Reformationsvorkämpfer auch nach Täbingen gekommene Laienprediger Dr. Johann Maurer, genannt Karsthans. Was diese Beiden verkündeten und vorlebten, „das wurzelte von Generation zu Generation tief in den Herzen der Täbinger“, konstatierte Deetjen. Er begründete damit aber auch die Verbitterung der Dorfbewohner darüber, dass sie ab der Reformation bis 1711 zu den Gottesdiensten nach Leidringen laufen mussten. Denn erst ab diesem Jahr erhielten sie einen ersten Vikar, ab 1739 dann ständige, aber nicht beständige eigene Pfarrer. Bis heute sind es derer bereits über 45 gewesen. Einige von ihnen bekleideten später hohe Kirchenämter. Was einer von ihnen lobend vermerkte, hat für Dr. Deetjen heute noch Gültigkeit wie er dem Zitat des Chronisten aus dem 18. Jahrhundert anfügte: „Allhier wohnt ein tapferes, gutes, gottesfürchtiges Völkchen, das ebenso fest an Glaube und Kirche wie zäh am Alten hängt. Nebst Gott vertraut man hier am meisten in die eigene Kraft und Hilfe untereinander. Welches dieser Gemeinde allzeit zum Segen war und sie sehr besonders macht unter vielen Dörfern“.

Quelle: Zollern-Alb-Kurier vom Fr 30.10.2009
Verfasser: Hannelore Kaiser
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