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Damals in Täbingen

Jugenderinnerungen einer Bäuerin

Inhalt


Einleitung

Abschied vom alten Bauerndorf - Eine Einleitung zu dem Bericht von Hermine Sautter

(Verfasser: Dr. Werner-Ulrich Deetjen )

Als "Pfarrherrle von Däbenga" hört, sieht und erfährt man noch manches von einer Lebenswelt, die andernorts schon längst vergangen und nun auch hier am Verschwinden ist: der bäuerlichen Lebenswelt, wie sie über 1000 Jahre hindurch unsere schwäbischen Dörfer prägte. Daher halte ich es für meine Aufgabe, möglichst viel von dieser Überlieferung für die nachkommenden Generationen festzuhalten. Unter anderem habe ich darum die Älteren des Dorfes gebeten, doch niederzuschreiben, was sie von dieser traditionellen Welt bäuerlichen Lebens noch selbst erfahren und in Erinnerung haben. Einige Täbinger Senioren sind dieser Bitte mit sehr anschaulichen Erzählungen nachgekommen. Dabei zeigte sich, daß nicht nur die bayerische Bäuerin Anna Wimschneider ("Herbstmilch") bewegend von der "schweren alten Zeit" damals zu erzählen vermag, sondern auch ihre schwäbischen Standes- und Altersgenossinnen. Der vorliegende Bericht stammt von Hermine Sautter, geborene Huonker (' 1926), die in Täbingen zur Welt kam und hier auch ihr ganzes Leben verbracht hat. Hermine Sautter wuchs im "Wettehaus" bei der Kirche, einem der schönsten Alttäbinger Fachwerkhäuser, in einem Geschwisterkreis von drei Schwestern und zwei Brüdern in einer seit dem frühen 18. Jahrhundert im Dorf ansässigen Familie auf. Ihr Großvater, der mit im Hause lebte, war der hochverdiente Schultheiß Johann Georg Trick, der 25 Jahre lang Täbingen regierte (1920-1945). Als Frau des " Wangers" (Wagner und Stellmacher) und Landwirts Wilhelm Sautter zog sie dann später in das nahegelegene " Wangerhaus" gegenüber dem Pfarrhaus, das auch zu den bäuerlichen Altgebäuden des Dorfes gehört. Hier wie dort war und ist sie eine gute Nachbarin aller Pfarrfamilien. Als Schülerin war sie eine hochbegabte Zeichnerin, gab es dann aber auf, weil sie leider meinte "dös isch doch nenz wert, mei Sach." Als " Gesellin " ihres Mannes half sie ihm lange in dessen früherer Wagnerei und war "daneben" als Bäurin und Mutter von sechs Kindern voll "im Geschirr". Für sie und alle anderen aus ihrer Generation waren und sind Urlaub, Freizeit und Erholung Fremdwörter. Man war und ist zufrieden, solange man noch "schaffen" kann. Wenn dann bei den Täbinger Hochbetagten die Kräfte nachlassen und sie nicht mehr in Haus und Hof helfen können, dann sagen sie: "Oh Herr Pfarr, i be auwert, i koa nenz maih schaffa!" Das "Bauern" macht Hermine Sautter bis heute Freude, obwohl sie nach mehreren Hüftoperationen "nemme so koa, wia i gern wet". Alle ihre Kinder hat sie durch die Täbinger Hebamme auf die Welt gebracht und war dann manchmal einige Stunden nach der Entbindung schon wieder beim Melken im Stall "weil's halt it andersch ganga ischt". Aus allen ihren Kindern ist etwas sehr Gutes geworden, und sie stehen heute in Beruf und Dorfleben ihrejn) Mann (Fraul. In den bäuerlichen Schaffzeiten, der Ernte und auch sonst, helfen die erwachsenen Kinder ihren Eltern noch nach Kräften in der reduzierten Landwirtschaft mit; aber wenn die alten " Wangers " einmal mit Stall und Landwirtschaft aufhören, wird es auch von dieser traditionellen, seit fast 300 Jahren im Dorf ansässigen, Bauernfamilie heißen: es war einmal. So lange aber noch fünf Misthäufen ums Täbinger Pfarrhaus dampfen, lebt das alte Dorf noch, und freue ich mich, ein Bauempfarrer sein zu dürfen. Der Bericht von Hermine Sautter ist so anschaulich und quellfrisch geschrieben, daß er hier - abgesehen von einigen erklärenden Klammerbemerkungen - unverändert wiedergegeben wird, damit er das bleibt, was er ist: ein beeindruckendes Dokument bäuerlichen Alltagslebens in einem schwäbischen Albdorf um 1930. Die Erzählerin hat ihre Erinnerungen eigentlich nur so nebenher für das Pfarrarchiv aufgeschrieben. Der Gedanke, daß dies "dr Wert sei", veröffentlicht zu werden, wäre ihr nie gekommen. So habe ich mich entschlossen, Hermine Sautters Bericht "hälenga" zu publizieren als ein beeindruckendes Stück Alttäbinger Dorfgeschichte. "I hoff, Habe Pfarrhausnochbere, Ihr send mir drwega it bais ond verzählat rar au weiter drvo, wia's bälder gsei isch!" Damit der Bericht in seinem sozialwirtschaftlichen Zusammenhang deutlich und auch der Umbruch gegenüber heute verständlich wird, schicken wir ihm einige einleitende Bemerkungen voraus.

Unser Dorf gestern und heute

Das 530-Seelen Dorf Täbingen liegt inmitten seiner stattlichen Markung auf 639 Metern Höhe im südwestlichen Zipfel des Zollemalbkreises. Ein einstiger Pfarrer beschrieb seine Lage so: "Das Dorf liegt in ziemlicher Weltabgeschiedenheit, doch nahe beim Himmel. Hier lebt ein fleißiges, frommes Bauernvölkle, das zäh am Alten hängt." Weit reicht von hier über Felder und Wälder der Fernblick auf die Zollemalb, den Kleinen Heuberg, das Albvorland zum Neckar und zu den Schwarzwaldhöhen. Behäbig und bauernstolz ruht das Dorf mit seinen vielen stattlichen Fachwerkhäusern in einer vom Weiherbach geformten Mulde, die den Flecken so schirmt, daß "dr Luft" es nicht frieren läßt. Neben den bescheidenen Einhäusern der einstigen "Seidner" (Kleinbauern und Tagelöhner) finden sich imposante Gebäude vom Typ des "gestelzten" Quereinhauses mit großen Ställen, mächtigen Fruchtbühnen und Giebeln. Sie lassen den Kundigen ahnen, daß hier einst wohlhabende "Roßbauem" wohnten, die kein geringes "Sach" hatten und einst besser dastanden wie die früher als "Hongerleider" verspotteten Rosenfelder in der Zwerg-Amtsstadt. Nicht umsonst nannten die ärmeren Nachbarn die Täbinger einst neckend-respektvoll " Knöpflesäck", also gutgestellte, wohlernährte Bauern, deren "Ränzle" verriet, daß sie keinen Hunger litten: "Denn Knöpfte und Kraut füllt am Baura d'Haut." Ähnlich wie im benachbarten Leidringen merkt der fremde Besucher bis heute schon an den Misthäufen, daß in Täbingen noch "gebauert" wird. Kommt man zu den landwirtschaftlichen " Schaffzeiten" ins Dorf - also bei "Heuet", "Ährnd" und "Öhmd", dann dröhnen die Schlepper, die Ladewagen und Ventilatoren von der Morgenfrühe bis in die Nacht so allseits laut, und sieht man noch so viele Täbinger bei ihrem "Geschirr", daß man meinen könnte, der ganze Ort sei noch eine traditionelle Bauemgemeinde. Tatsächlich war Täbingen noch vor einer Generation in der Zeit nach 1945 die landwirtschaftliche Mustergemeinde des Kreises. Aber seither hat sich die größte Revolution in der Täbinger Geschichte vollzogen: der Umbruch von einer fast reinen Bauerngemeinde zum Arbeiterwohnort mit 90 % Auspendlern in die Industrie und zwar bis nach Sindelfingen. Nach Bevölkerungshöchstständen im 19. Jhdt. (um die 600), die viele Familien zur Auswanderung zwang, sank die Einwohnerzahl im 20. Jhdt. (auch durch die vielen Kriegsgefallenen) zeitweise unter 500 Bürger ab. Von ihnen lebten um 1950 noch 70% von der Land und Forstwirtschaft und nur 20 % vor allem von Handwerk und Industriearbeit 110 % Auspendler). Damals bearbeiteten 102 Familienbetriebe, davon 86 im Haupterwerb, die 607 ha große landwirtschaftliche Nutzfläche des Dorfes sowie die 149 ha Gemeinde- und Privatwald; bemerkenswert ist dabei, daß die Ackerbaufläche mit 48 % und die Hektarerträge hier überdurchschnittlich hoch waren und dies, obwohl das Land vor der Flurbereinigung (ab 1967) noch in 3200 Parzellen von nur 18-20 ar aufgeteilt war. Heute existieren nur noch 53 Betriebe über 2 ha, davon etwa 5 im Häupterwerb. Auch hier arbeitet man mit modernsten Geräten und versucht durch Mechanisierung und Rationalisierung den politisch bedingten Ruin der Landwirtschaft aufzuhalten. Auch die Viehhaltung erreichte in Täbingen immer stattliche Zahlen. 1968 waren es immer noch 632 Rinder - mit einem bis 1990 gut bestückten Farrenstall und bemerkenswerten Zuchterfolgen - dazu 21 Pferde (zuvor jahrhundertelang um die 100), 1073 Schweine, 12 Ziegen, 2256 Hühner, ca. 250 Gänse, dazu 87 Bienenvölker und eine beachtliche Schäferei. Welcher Wandel, ja Zusammenbruch, hier inzwischen eingetreten ist, verdeutlicht eine Zahl: von 1950 bis heute ist die Zahl der milcherzeugenden Betriebe von 102 auf 16 abgesunken. Was wir derzeit in unserem Dorf erleben, ist keine Krise der Landwirtschaft, vielmehr ihr Ende, ihre Abschiedsjahre. Denn wenn die ältere und mittlere Generation der Täbinger Landwirte heute und übermorgen aufhören, werden die Jungen kaum mehr weitermachen. Dort, wo es keinen gerechten Lohn für harte Arbeit mehr gibt, hilft auch die Liebe zur Landwirtschaft und die Treue zur Tradition nicht weiter. Das war und ist für viele im Dorf eine ungeheuer bittere Lebenserfahrung. Hinter dem, was die Politiker "notwendige Modemisierungsanpassung" und "dörfliche Umstrukturierung" nennen, verbirgt sich nicht nur der Zusammenbruch fast aller bäuerlichen Familienbetriebe in unserem Raum, und manche menschliche Tragödie, vielmehr eine ungeheure geistiggesellschaftliche Gesamtveränderung, die tief in das bisherige Arbeits-, Gemeinschaftsleben, Selbstbewußtsein und Existenzempfinden eingreift und das gesamte Handeln, Denken, Fühlen, Sprechen, Glauben und Dasein der Menschen auf dem Dorf verändert hat und noch verändert. Was über 1000 Jahre lang das ganze bäuerliche Dorfleben prägte und was die Generation der Älteren noch erlebte und tief mit ihren Altvorderen verband, diese ganze Lebens- und Denkweise ist für die jüngeren Dorfgenerationen so fremd und fern geworden wie ein Märchen oder ein Bericht über das Dasein einer exotischen Stammeskultur in Afrika. Für die jüngere Generation ist der Lebenskampf und die Mentalität des alten Dorfes eine Sache geworden, die sie teils nicht interessiert oder teils möglichst schnell ablegen will. Die Älteren dürfen da kaum Anerkennung, Achtung und Anteilnahme für ihren bäuerlichen Lebenskampf und Lebensstil erwarten. Weil hier nun ein Traditionsabbruch und auch vielfacher Wert- und Überlieferungsverlust eintritt, ist es mir ein Anliegen, soviel als möglich von dem festzuhalten, was die Älteren darüber noch wissen, erfahren und dabei auch erlitten haben. All das verdient unsere tiefe Achtung. Denn es wird in naher Zukunft eine Zeit kommen, wo wir in Täbingen und in den anderen alten Bauerndörfem niemand mehr haben, der aus eigenem Erleben erzählen kann, "wia's bälder gsei isch". Lassen wir uns also von Hermine Sautter erzählen, wie man vor 60 Jahren in einem abgelegenen evangelischen Bauerndorf auf dem Kleinen Heuberg lebte. Die beigefügten Bilder entstammen dem Foto-Archiv ihres Sohnes Willi Sautter, der mit seiner Sammlung inzwischen zum Täbinger Bilderchronisten geworden ist.

Verfasser: Dr. Werner-Ulrich Deetjen (Täbinger Pfarrer von 1983 - 93, jetziger Dekan in Brackenheim)

Unser Täbingen - so wie ich mich an meine Jugendzeit erinnere

In meiner Jugend war Täbingen noch ein fast reines Bauerndorf mit kleinen Kuhbauern und einigen größeren Betrieben, die zwei Pferde hatten oder je ein Pferd und dann zusammen arbeiteten. Dieses Zusammenarbeiten zweier Familien mit je einem Pferd nannte man "Gmahren". Die Felder wurden in Dreifelderwirtschaft betrieben, d.h.: (l) Winterfrucht - Dinkel oder Weizen, (2) Sommerfrucht - Gerste oder Hafer und |3) wurde bis vor ca. 100 Jahren dann das Feld "gebracht", das heißt in der Ruhezeit nicht bebaut. An diese Stelle kam dann die Kartoffel, Futterrüben und Ackerbohnen. Als Düngemittel gab es früher nur Naturdünger (Mist und Mistlache), weshalb der Ertrag auch viel geringer war als heute. Einen Nebenerwerb, abgesehen vorn Handwerk, gab's nicht, außer Frondienst bei der Gemeinde. Die Steine für die Ausbesserung der Straßen wurden an der Mühlhalde gebrochen und hernach mit dem Steinschlegele von Hand zerkleinert. Dazu kam noch die Arbeit im Gemeindewald. Bis vor 40-50 Jahren kaufte man beim Holzverkauf 1-2 Reisighaufen; das war ein begehrtes Heizmaterial. Im Frühjahr standen bei schönem, sonnigem Wetter die Bäuerinnen vor den Häusern und hackten "Büschele". Das Reisig wurde in ca. 50 cm lange Stücke zerhackt und mit einer "Wiede" (Weidengerte) oder Schnur in Portionen gebunden, die in das große Ofenloch (von der Küche aus) der gußeisernen Wasscralfinger-Öfen, die in jeder Bauernstube standen, hineingeschoben wurden. Das war die Zentralheizung der damaligen Zeit in allen Häusern. Der Rauch des Tannenreisigs besorgte dann zugleich das Räuchern des Specks in den großen offenen Kaminen. Hierauf folgten dann später Kachel-und Kanonenöfen, als die Kohle auf den Markt kam. An vielen Häusern hingen damals Reklameschilder: "Heizt Union Briketts". Wer ein neues Haus baute, der bediente sich mit Holz-Kohle-Öfen.

Ernte und Feldarbeit

Die Arbeit in Haus und Feld war Handarbeit. Mit 10 Jahren durfte ich bei meiner Ahne das Melken lernen; ich war stolz darauf. Die Arbeit auf den Feldern war hart und schwer. Zum Grasmähen brauchte man eine gut gedengelte Sense; auf dem Rücken am Hosenbund hing der "Kampf" (das Wetzfaß) - ein ausgehöhltes Kuhhorn gefüllt mit Wasser. Noch oft kommt mir der Vers in den Sinn, den unser Ahne beim Wetzen vorsagte: "I haub dr it, i haub dr it. Do koscht me wetza wia dr witt." Die Mäharbeit beim "Heuet" begann morgens um 3-4 Uhr, solange das Gras noch taufrisch war; die Bäurin versorgte inzwischen Stall und Kinder und brachte dann den Mähern das Frühstück - Kaffee, Milch und Brot - auf die Wiese, die sich dann eine Verschnaufpause gönnten. Mit dem "Zeschgäbele" (leichte dreizinkige Gabel) wurden die "Mahden" auseinandergeschüttelt; wenn das Wetter heiß war konnte bis zur Mittagszeit gewendet werden. 4-6 Personen, je nach Familiengröße, zogen dann mit ihren Rechen das welke Gras zur Seite. Tags darauf mußte die ganze Sache aufgeschüttelt werden, mittags nochmal gewendet und gegen Abend "geschochet" (aufgehäuft). Ja, schon die Kleinsten bekamen einen Rechen in die Hand gedrückt; sie mußten nachrechen, was Vater und Mutter nicht sauber nahmen. Am nächsten Tag - wenn das Wetter mitmachte - begann die Prozedur von vorne. Das Heu wurde auf "Rieder" | angehäufelte Reihe) gezogen und mußte mit einer Furke auf den Wagen gehoben werden. Der "Lader" ordnete eine Gabel rechts - eine Gabel links - eine Gabel in die Mitte, solange, bis der Wagen 4-5 "Gelege" hatte. Sodann wurde der "'Wiesbaum" (hölzerner Ladebaum zum Befestigen) darüber gespannt mit zwei Spannseilern; vier "Wellnägel" und zwei "Wellen" (zum Spannen des beladenen Wagens) hielten den ganzen Apparat zusammen. Die jungen "Lader" machten dann von oben einen Sprung, der Ahne mußte mit einer eingesteckten Gabel vom Wagen gehoben werden. Das Abladen zu Hause war noch schwieriger; von Hand mit Gabeln und Furken (zweizinkige Ladegabel) beförderte man das Heu auf den "Barn" (der Heu- und Fruchtstock). Modernere und größere Bauern leisteten sich einen Aufzug, der mit der Transmission mittels einer Welle und einem Drahtseil angetrieben und in Gang gebracht wurde; aber oben mußten dann die schweren Heuzangen vom "Oberderloch" hereingezogen werden. Oh, wie einfach ist das heute alles. Die Ernte war nicht weniger mühsam. Wer weiß heute noch, was ein "Reff" (Sensenrechen), ein "Hudel" (Sense mit einem Tuch oder Gitter zum Mähen), ein "Habergeschiir" (Gestellsense mit einem Korb von Metallzähnen) und eine Sichel ist. Schwer haben wir doch damit hantiert. Die Männer mähten das Getreide Mahd um Mahd hin, wir Frauen nahmen mit der Sichel ein Bündel "Hechle" (Getreidebüschel) nach dem anderen weg und legten es zur Seite. Bei Regenwetter waren wir oft durch und durch naß. War der Acker geschnitten, mußte alles aufgestellt, vier "Hechle" zusammengestellt und mit einem Garbenseile zusammengebunden werden. Die "Häusle" oder "Hocken" (Getreidegarben) blieben stehen, bis sie trocken waren, wurden dann umgelegt und fest zusammengebunden, darauf mit der Furke aufgeladen (ebenso wie beim Heu) und zu Hause auf den "Garbenbam" (FruchtstockI gestapelt. Erst im Herbst, wenn alle Arbeit getan war, ging's ans Dreschen - eine langweilige und mühsame Arbeit mit den kleinen Breitdreschern zu Hause in den Scheunen. Kleinere Bauern mußten die Garben wieder auf den Wagen laden und zur Dreschhalle fahren. Die dortige große Dreschmaschine trieb eine große Dampfmaschine, später ein Elektromotor. Zum Dreschen benötigte man acht Personen. Verwandte und Nachbarn halfen einander aus. Mit einem zünftigen Vesper wurde dann so ein Dreschtag beendet, wenn alles aufgeräumt und die schweren Fruchtsäcke auf dem Rücken die Bühnentreppe hinaufgeschleppt waren. Ich selbst habe noch das Walzen miterlebt: Korn und Dinkel mußte auf dem Scheunenboden ausgebreitet werden, ca. 10 Garben, die Ähren in der Mitte. Die schwere gußeiserne Walze wurde von unserer "Lies", dem Pferd, so lange hin- und hergezogen, bis alle Ähren abgetrennt waren; das Stroh wurde darauf ausgeschüttelt, zusammengebunden, die Ähren mit dem Rechenrücken auf einen Haufen ins "Futterkämmerle" geschoben; hernach wurde alles durch die "Putzmühle" gejagt (eine Köm- oder Windfege |. Ja, so reinigte man noch vor vierzig Jahren das Korn von der Spreu. Heute wartet man am Ackerrand auf den Mähdrescher. Wo einst eine ganze Familie schwitzte, arbeitet jetzt einer bequem im Sitzen. Die Kartoffeln- und Rübenernte war ebenfalls Handarbeit. Die Schulferien wurden so angelegt, daß die Kinder mithelfen konnten. Von ihnen wurde man erinnert, wenn's Vesperzeit war - morgens um 10 Uhr, mittags um 4 Uhr. Nie mehr in meinem ganzen Leben hat mir das Vesper so gut geschmeckt wie damals. Sechs bis acht Personen saßen in der Ackerfurche und Mutter teilte Brot und Speck aus; mit nur dürftig gereinigten Händen, aber einem großen Hunger schmeckte alles gut; aus dem "Sutterkmg" (Steingutkrug mit Verschluß) erfrischte der kühle Most, unser "Hausgetränk", die durstigen Kehlen. Die Ahne zu Hause bereitete das Mittagessen und versorgte die Kleinsten. Wenn abends ein oft mit 40-50 Säcken vollbeladener Wagen heimfuhr, und wir Jungen obenauf saßen, dann freute man sich und fühlte sich königlich.

Vom Leben und Wohnen in unseren Bauernhäusern

Nun zu unseren Behausungen. Die Bauemhäuser sind zwar groß, aber der Wohnraum war im Verhältnis zu der damaligen Familiengröße klein. Zu meiner Kinderzeit im "Wettehaus" (Haus bei der früheren " Wette ", einem kleinen Dorfweiher, Pferdeschwemme) war es vor 60 Jahren noch so: "Urahne, Großmutter, Mutter und Kind, in einer Stube beisammen sind." Der untere Hausgang hieß "Hausöhr", der obere die "Laube". Die Stube war groß; eine große Eckbank an der Fensterwand bot vielen Sitzplatz. An der Ciebelseite der Eckbank war ein schwerer gußeiserner Schuhlöffel an einer Kette befestigt, dort haben sämtliche Hausbewohner die Schuhe angezogen, die man im Winter unter dem Ofen zum Wärmen abgestellt hat. Vor der Bank stand ein großer Tisch; zwischen zwei Fenstern hing der Familienspiegel, darunter ein Behälter, in dem sämtliche Utensilien wie "Sträl" (Kamm), Ähne's Rasiermesser, ein mit Leder bezogenes Gestell zum Schärfen des Messers und alles war, was man zur damaligen Zeit zur Körperpflege benötigte. Hinter der Stubentür hing die "Zwäl" (Familienhandtuch aus Leinen). Anschließend kamen Wandschränke, die alles Zubehör der Familie beherbergten: Hausapotheke, Gewürzschrank, Bücherschrank, eine Nische für den Mostkrug und Gläser, das Brotkästle und unten drin die Spielzeugkiste. Der hohe Eckschrank barg die schwarzen Tuchröcke der Ahne, im oberen Teil Ahnes Kopfbedeckungen. Über der Kommode, deren obere Schublade die schriftlichen Sachen sowie Ähne's Gebetsbücher beinhaltete, hing die Uhr, daneben das "Schutzlädle" eine Durchreiche zur Küche. Ein großer Wasseralfinger gußeißemer Ofen - das war die Heizung in unserer Stube. Im Sommer wurde er jedes Jahr ausgebessert, mit Lehm vermischt, mit Gerstenangeln (Grannen der Cerstenähren) verknetet, mit Ofenschwärze gewichst und geglänzt. Gerne hat man sich auf dem Ofenbänkle, die den schwarzen Koloß umringten, den Rücken gewärmt. Von der heißen Ofenplatte kam der Duft von Bratäpfeln. Die über dem Ofen befestigten Ofens tängle dienten zum Trocknen der Wäsche und Kleidung bei Regenwetter. Daneben befand sich ein Sofa, vorher ein Lotterbett (Bett für Ältere und Kranke), darüber Kleiderhaken, wo die Männerwelt ihre Jacken ablegten. So also war die Einrichtung unserer alten getäfelten Bauernstube. In der hinteren Stube lebte die beinahe 90jährige Urahne. Außerdem gab's noch drei Schlaf kammern, alles primitiv ausgestattet (Strohsäcke mit Kornstroh, jedes Jahr neu gefüllt, das waren unsere "Schlaraffia "-Matratzen). Bei großer Kinderzahl schliefen 2-3 Kinder in einem Bett. Die Küche war noch mit einem großen Blechverschlag über dem "Rauscherherd" versehen |der alte Dorfschmied Karl Rauscher stellte bis um 1930 noch Herde her), wenn der Kaminfeger ("Kemigfeger") kam, wurde derselbe herabgelassen. Was das für eine Arbeit hernach war zum Putzen, kann man sich leicht vorstellen. In unserem Kamin war Platz für zwei Schweine zum Räuchern. Mittels einer Leiter mußte man jedesmal in den Kamin einsteigen, wenn man Rauchfleisch holte. Ein "Kuchekästle" mit zwei Mehlschubladen, ein Regal für Pfannen und Kochhäfen, ein Tischle und ein großes Schüsselbrett - das war unsere "moderne" Küche. Auf der hinteren Längsseite des Hauses gelangte man über einen offenen langen Gang zum "Häusle", dem sogenannten "Trippel" |Abort), ein Holzgestell mit einem runden Loch mit Deckel. Jedes Haus hatte dann noch einen Anhänger, auf alten Bildern noch zu sehen, den Backofen. Bei uns zu Hause gab es ihn auch. Die Ahne hat dort noch sehr gutes Brot gebacken. So wie ich mich entsinne, hat man extra Ofenholz gemacht, in den Ofen geschichtet und mit Tannenreisig angezündet. Wenn das ganze angebrannt war, hat die Ahne mit einem nassen Reisigbesen die Asche herausgekehrt, dann wurden die vorbereiteten Laibe mit einer höl zernen Backschaufel hincingeschoben und der Ofen verschlossen. Nach 1-2 Stunden kamen schöne knusprige Laibe heraus. Kuchen gab's außer der Kirbe nie! In diesem Backofen hat sie auch ihre "Hutzeln" (Dörrobst) gemacht, die dann auf der Bühne in einem Säckle aufbewahrt wurden (gedörrte Birnen, Apfelschnitze, Zwetschgen). Das war im Winter dann auch der einzige Kinder-Schleck. Ansonsten wurde im Gemeindehaus gebacken, eine große Familie fünf große Laibe in der Woche. Es gab nur einmal in der Woche neugebackenes Brot, darum schmeckten uns Kindern auch die Knäusle so gut, die wir beim Abholen des Brotes von den Laiben rupften. Alle vier Wochen gab's einen Waschtag. Hinter oder vor dem Haus wurde der Waschkessel aufgestellt, 2-3 große Zuber - oft noch aus Holz: Eingeweicht, gekocht, geschrubbt und gewunden und gespült - das war eine schwere Arbeit bei einer großen Familie; dann wurde im Garten die Wäscheleine aufgespannt, alles aufgehängt und getrocknet. Heute wird alles in die Waschmaschine gesteckt; ja viele benutzen sogar einen Trockner. Wie leicht ist die Arbeit heute für die Frauen geworden und wie schwer mußten sie sich früher mit allem plagen. Als Haustiere hatten wir Pferde, Kühe, Rinder, Schweine, Hühner; außerdem gackerten in jedem Hof 5-10 Gänse; der Federbedarf wurde selbst gedeckt. Alle sieben Wochen und drei Tage mußten die Vögel gerupft werden, dann wurde ein Kreuzle im Kalender gemacht: "+ Gans gerupft". Unser unvergeßliches Original, Johannes Schuler (1867-1962), sammelte jeden Morgen im Sommer die Gänsescharen zusammen. Mit seiner Peitsche knallte er, dann wußte man - so, jetzt kommt der "Goshirt", jetzt kann man das Stalltürle aufmachen. Er trieb seine Pfleglinge hinunter in den "Gospfeich" oberhalb der Schlichem, eingezäunt und mit einem vom Weiherbach gestauten Tümpel, in welchem das Federvieh baden konnte. Da gab es etwas zu staunen, wenn abends das Türle geöffnet wurde: dann startete die ganze Schar die "Musel" hinauf oft im Flug der Heimat zu - alle in ihre Heimatställe. War dann im Herbst die große Stande mit Sauerkraut eingestampft und gärte das Hausgetränk, der Most, in den Fässern, ja dann mußte eines der Borstentiere im Stall dran glauben. Zur Metzelsuppe gab's als erstes Brotsuppe mit Fleischbrühe, darauf Kraut mit Knöpfle und Kartoffelschnitz, Blutwurst, Speck und Knöchle zum Abnagen und sage und schreibe eine ganze Schüssel mit gekochten Hutzeln.

Ein Tagesablauf

Nun erzähle ich noch von einem Tagesablauf, wie ich ihn in Erinnerung habe. Vom Ahne (Altschultes Trick] wurde man geweckt. Jeder hatte seine planmäßige Arbeit im Stall und Haus. So ungefähr um 1/2 7 Uhr versammelte sich die ganze Familie. Nach dem Morgensegen, jeden Morgen vom Ahne gelesen, wurde der Kaffee (Malzkaffee) und Weißbrot eingenommen, die Tagesarbeit besprochen und die Kinder zur Schule gerichtet. Die Mittagsmahlzeiten waren einfach; um L2 Uhr kam alles auf den mit einem großen Leinentischtuch gedeckten Tisch: "Komm Herr Jesus, sei du unser Gast und segne alles, was du uns bescheret hast. Für die gegebne Speis und Trank, sagen wir dir Jesu Lob und Dank". Das hat noch die alte Urahne gebetet solange sie konnte. Wir Mädchen mußten den Tisch abräumen und "Auswschen". Nur eigene Erzeugnisse wurden gekocht: Ribelesuppe (aus Brotresten |, Kartoffelsupp, Grießsupp, Nudelsupp, Flädlesupp, Sauerkraut, Kehlkraut, Bohnen, Erbsen, Kartoffeln, Schupfnudeln, gebratene Knöpfle, Dotsch (Eierkuchen, Omelett), Pfannkuchen, Dörrobst und auch Eingedünstetes, dazu Küchle in Schmalz gebacken. Die Fleischportionen waren klein; im Winter gab's sonntags Sauerkraut und Speck, im Sommer Braten, Nudeln und Salat. Zum Vesper gab's Gsälzbrot oder Butterbrot und halt die Wurstwaren, die beim Metzger geräuchert werden konnten. Den Butter hat unsere Ahne selbst hergestellt in ihrem hölzernen "Blotzfaß" (Maschine zum Schleudern des Rahms/Blotz); wir mußten oft auch mal zwischendurch drehen, oft ging es auch länger, wenn der Rahm nicht die nötige Temperatur hatte. Sie sagte dann das Versle: "Butter, Butter duor de zema - wia dr Guhler zua dr Henna"; darüber muß ich heute noch lachen. Man aß früher noch "z'Nacht", das heißt, jeden Abend gab's eine Suppe - Habersuppe, brennte Suppe, geschmälzte Brotsuppe und Kartoffeln. Die dampfenden Pellkartoffeln wurden durch's "Schutzlädle" aus der Küche hereingereicht und in die Tischmitte gestellt; jeder schälte sich mit dem Löffelstiel seine Portion; sodann erschien die Suppe und zuletzt noch eine große Schüssel mit Milch. Jeder, alt oder jung, löffelte mit seinem eigenen Löffel aus der Schüssel - aber es hat geschmeckt! Ich sehe noch die Milchtropfen an Ahnes Schnurrbart hängen, oft hat er diese am Tischtuch abgewischt und dafür einen sehr ärgerlichen Blick von der Ahne bekommen. Ja - von Hygiene war damals keine Spur; aber trotzdem sind die Leute oft beinahe 90 Jahre alt geworden. Abends beim Bettzeitläuten {"Avermerga"} hat mich die Urahne auf den Schoß genommen (ich war 6 Jahre alt, als sie starb), die Hände gefaltet und gebetet: "Liebster Mensch was mag's bedeuten, dieses späte Clockenläuten, es bedeutet abermal, meines Lebens Ziel und Zahl. Dieser Tag hat abgenommen, bald wird auch der Tod herkommen. Drum oh Mensch, oh schicke dich, daß du sterbest seliglich." Das Bettgebet, das meine Mutter mit uns sprach, hieß: "Engele komm, mach me fromm, daß i au ens Hemmele nei komm. S'goht a Dierle ens Hemmele nei, s'gond zwoa Engele aus ond ei, se bettet für me Dag öd Nacht, daß e selig sterba mag". Dieses Gebet habe auch ich mit meinen Kindern gesprochen, solange ich sie noch ins Bett brachte. - Und wie ist es heute? - Die Hektik dieser Zeit hat vieles Gute weg- und abgeschafft, oft auch Glauben, Gottvertrauen und Gebet. Wie wird es da für die Jungen weitergehen und was haben wir Alten da falsch gemacht?

Von Kinderspielen, von Hochzeit und anderem

Nun will ich noch von einigen früheren Spielen in der Kinderzeit erzählen. In jedem Haus gab's Gaigelkarten, ein beliebtes Spiel für jung und alt. Die Kinder konnten dabei das Zusammenzählen lernen; damit spielten wir auch "Siachwädele". Stundenlang lief das "Mensch ärgere dich nicht"; gern spielten wir 146 auch Mühle und Dame. Die Kleinsten beschäftigten sich mit Bauklötzen. Beim "Wanger" in seiner Werkstatt gab's viele schöne Abfälle beim Aussägen der Rundungen, ganze Burgen konnte man daraus bauen. In keinem Haus fehlte das Kugelspiel, vom Alt-Schreiner Trick (1895-1971) angefertigt; heute noch spielen meine Enkel gerne damit. Dazu kam noch das "Gäutscharoß" (Schaukelpferd), das von unserem Holweger Jakob, Küfer (1892-1975), hergestellt wurde. In späteren Jahren gab's dann für manche Buben Märklinbaukästen, die vielbestaunte Märklineisenbahn in der Familie von Pfarrer Rauser (1925-1940 Ortspfarrer) und als etwas Besonderes ein richtiger Dampfkessel für die Buben. Wir Mädchen bestaunten die Puppenküche und -Stube im Pfarrhaus bei Rausers. Ich sehe noch die schönen kleinen Pfannküchle, die Frau Pfarrer auf dem Puppenherd für uns gebacken hat. - So was gab's bei uns zu Hause nicht, unsere "Docken" (Puppen) bekamen nur jedes Jahr ein neues Kleid. Kam dann der Frühling, spielten wir "Lulu", " Stupf er", "Veisteckeiles"; dabei kam man sogar bis auf das Kirchengewölbe, denn wir waren auch keine Engel. In den Gärten hinter den Häusern und Schöpfen bauten wir "Häusle". Gerne machten die Buben Schleudern oder warfen mit langen Ruten Dreckkügele aus Lehm. An den offenen Wassergräben, die damals unsere Felder durchzogen, ließen wir unsere Papierschiffle schwimmen. Eine Schnitzehagd gehörte natürlich auch dazu. War dann der Winter eingekehrt und die Hügel und Hänge mit Schnee bedeckt, waren unsere beliebten Schlittenbahnen am "Müllers Keller" oder am "Scheibenbühl". Erst mit "Badmtschem", hernach mit Rodelschlitten vom "Wanger" (Wagner) gefertigt und vom Schmied beschlagen, raste man die Hänge hinunter. Oft gab's auch Schlittensalat oder gar ein gebrochenes Bein. Mittags machten die Frauen im Winter gern einen Stubengang, "z'Stuba", zu Nachbarn und Verwandten und nahmen dazu das Strickzeug mit. Der alte Brauch "z'Licht gehen" beruhte darauf, daß man dabei daheim das Licht der Erdöl-Funzel sparte. Dabei traf sich die Jugend; die Burschen spielten mit der Mundharmonika. Ein gern gesehener Gast war der "blinde Jakob" (?. Seemann, ein blinder Korbmacher), denn er verstand mit seiner "Handorgel" aufzuspielen; es wurde gescherzt, getanzt und gelacht - vielleicht auch mal aus Eifersucht gestritten. Die alten Täbinger haben mit wenigen Ausnahmen das Licht der Welt zu Hause erblickt. Die alte Hebamme, Christine Seckinger (1868 bis 1938), verhalf zum ersten Schrei und später Christina Fischer (1906-1983). Meine Kinder sind ebenfalls alle im alten Wangerhaus geboren. Es gab damals keinen Mutterschutz und Babyjahr. So bald es nur eben ging, versorgte man die Familie und den Stall wieder. Verwandte und Nachbarinnen kamen in die "Kindbett", brachten der Wöchnerin allerlei gute Sachen, damit sie wieder zu Kräften kam. Mit dem Neugeborenen durfte man erst dann das Haus verlassen, wenn es getauft war. Solange es ungetauft war, galt es als "Heide". Mit sechs Jahren ging's zur Schule, mit 13 fahren zur Konfirmation, danach in den "Dienst", zuhause oder auswärts. Eine Hochzeit ("Haozig") wurde vom "Hoziglader" angesagt. Er ging von Haus zu Haus bei Verwandtschaft und Altersgenossen mit seinem "Gradda" (Korb) und teilte "Hozigbrot", Brot mit Anis und Fenchel, aus. Am Vorabend der Hochzeit war das "Brautbett". Altersgenossen und Freunde schmausten in dem zukünftigen Wohnbereich des Paares; dabei gab es Butterbrot mit Schweizer- und Backsteinkäse. Ganz " Wunderfi tzige" (Neugierige) musterten die Schränke durch und zählten sogar die Bettbezüge, die zur damaligen Zeit von den Bräuten selbst genäht wurden. Die Hochzeit begann mit der "Morgensupp". Jeder Hochzeitsgast erhielt im Hochzeitshaus eine Stärkung (meist einen Schnaps). Der Kirchgang war dann meist am Dienstag um 11 Uhr, voraus zog der Gesangverein. War die Trauung vorbei, wurde der Hochzeitszug von der "Blechmusik" abgeholt in den "Löwen". Ich kann mich noch an die großen Weinkrüge erinnern, die auf der Schänke standen. Das Fest dauerte dann bis in den Morgen. Den Tod eines Dorfbewohners erfuhr man vom "Leichensäger" oder der "Leichensägerin", meistens armen Dorfbewohnern, die sich mit einem "Gradda" von Haus zu Haus begaben und für ihren Botendienst überall mit einer Kleinigkeit beschenkt wurden. Den alten Schaible-"Nachtwächter" (1858 bis 1933) habe ich auch noch gekannt. Der Schaible war Schuhmacher, Nachtwächter, Totengräber und Orgeltreter in einer Person und ein Original. Brannte es im Dorf, so tönte vom Glockenturm Sturmgeläut; mit Feuer-hörnern und "Feuer "-Rufen alarmierte man das ganze Dorf. All das ist eine verschwundene Welt, an die nur noch wir Älteren uns erinnern. Für die Jungen klingt's wie ein Märchen und doch ist alles erst 50-60 Jahre her und hat unsere Jugend noch ganz geprägt im alten Bauerndörfle Täbingen. Schwer und hart war dieses Leben, und doch denke ich gerne daran zurück.

Verfasserin: Hermine Sautter (im Jahr 1990)